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Das neue Gesicht der Emirate





Süddeutsche Zeitung

16.07.2021

Autor: Paul-Anton Krüger, München

Mariam al-Mheiri hat einst in Aachen Maschinenbau studiert. Jetzt ist sie als Staatsministerin für Ernährungs- und Wassersicherheit verantwortlich - und soll die Beziehungen zu Deutschland aufpolieren.

Sie wollte immer etwas tun, was noch keiner emiratischen Frau vor ihr gelungen ist. "Das war immer in meinem Kopf als Teenager, egal ob beim Reiten, beim Tauchen oder beim Tennis", sagt Mariam al-Mheiri. "Ich wollte Tennisprofi werden." Zumindest das Interesse an der Unterwasserwelt sollte noch eine Rolle spielen in der Karriere der Staatsministerin für Wasser- und Ernährungssicherheit der Vereinigten Arabischen Emirate - ein Posten, den sie nicht nur als erste Frau bekleidet, sondern der für sie geschaffen wurde und wohl einmalig ist auf der Welt.

Statt auf die Center Courts der Welt führte sie ihr Weg in die deutsche Provinz, nach Aachen. "Als wir mit 16, 17 Jahren uns Gedanken machten, wo wir studieren könnten, hatte ich erst die USA oder Großbritannien im Blick", erinnert sich al-Mheiri. Doch dann besuchte die Familie zur Promotion einen Onkel, der wie der andere Bruder ihrer aus Deutschland stammenden Mutter an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) studiert hatte. "Sie sprachen immer in den höchsten Tönen von der Uni, vom Uni-Leben; und auch von Aachen war ich beeindruckt", sagt al-Mheiri.

Sie rief bei der RWTH an und fragte, ob dort schon einmal "ein Mädchen aus den Emiraten" studiert habe. Die Antwort: nein. So schrieb sich al-Mheiri ein, für Maschinenbau. "Da gab es insgesamt nicht so viele Frauen", erinnert sie sich. Das Studium musste sie damals auf Deutsch absolvieren. Das hatte sie nicht in der Schule gelernt, nur als Kind von ihrer Mutter. Aber das hielt sie nicht auf, sondern prädestinierte sie für ein weiteres Amt, das sie nun bekleidet: Sonderbeauftragte für die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland.

Sie hat den Job von Sultan al-Jaber übernommen, der als rechte Hand von Kronprinz Mohammed bin Zayed al-Nahyan gilt, dem Regenten der Emirate. Der misst der strategischen Partnerschaft mit Berlin große Bedeutung bei, was sich als Beweis seines Vertrauens in al-Mheiri lesen lässt.

Kritik an Menschenrechtsverletzungen kratzen am Image

"Ich will Ansprechpartnerin sein", sagte sie bei einem Besuch im Juli der Süddeutschen Zeitung, und "sicherstellen, dass die Menschen verstehen, wer wir sind, und dass wir unsere Arme öffnen für die internationale Gemeinschaft". Toleranz und friedliche Koexistenz gehören zu den Maximen der Regierung. In Dubai leben Menschen aus 200 Nationen, es gibt Kirchen, buddhistische Tempel, Synagogen. Die Emirate haben ihre Beziehungen zu Israel normalisiert - al-Mheiri hat das Land jüngst besucht.

Allerdings gibt es auch Kritik an Menschenrechtsverletzungen, an der zeitweilig forschen Regionalpolitik, die auch in Berlin Irritationen auslöste. Das Image ihres Landes in Deutschland zu polieren, gehört zu al-Mheiris Aufgaben. An Enthusiasmus jedenfalls fehlt es ihr nicht. Potenzial sieht sie vor allem in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und beim Austausch von Technologie. Auch da schlägt sich das Studium in Aachen im politischen Wirken nieder.

"Eigentlich wollte ich Luft- und Raumfahrttechnik machen", sagt al-Mheiri, die in ihrer Zeit in Deutschland auch eine private Pilotenausbildung begann. Nach einem Semester aber schwenkte sie um auf Konstruktion und Entwicklung. Heute fördert sie innovative Start-ups in der Landwirtschaft, die mit neuen Methoden nachhaltigen Anbau von Lebensmitteln unter den harschen Bedingungen in den Wüsten der Emirate ermöglichen sollen.

Ursprünglich hatte sie nicht daran gedacht, für die Regierung zu arbeiten. Ihren ersten Job fand sie in Deutschland in einem Start-up, das Kugellager für Rennwagen produzierte. Ihr Vater habe nur gesagt: "Solange du nicht als Automechanikerin arbeitest", erzählt sie mit einem Lachen. Doch trugen letztlich dessen Verbindungen dazu bei, dass seine Tochter nicht ihrem Plan folgte, einen Job bei der Fluggesellschaft Emirates zu suchen, sondern stattdessen in den Staatsdienst trat.

Sie traf auf einer Veranstaltung den früheren Minister für Umwelt und Wasser, einen Bekannten ihres Vaters. Aus einem Small Talk über Hobbys und Familie entspann sich eine berufliche Perspektive. Das Tauchen und das Interesse an Fischen trafen auf den Bedarf nach Ingenieuren, die an der Entwicklung moderner Aquakulturen mitwirken würden. Statt um Flugzeugtechnik drehte sich al-Mheiris Leben bald um Biofilter und mechanische Filter, um die Wiederverwendung von Wasser. Wieder war sie die erste Frau, ihr Aufstieg danach rapide.

"Wenn ich etwas mache, dann mit Leidenschaft", sagt sie. Die politische Führung greife Initiativen auf, sie wolle nur überzeugt werden, dass ein Projekt das Land voranbringe, dass es in die Vision für die Entwicklung der Emirate passe. Food Tech Valley, angelehnt an das Silicon Valley, ist ihr Vorzeigeprojekt, mit dem es ihr gelang, höchste Stellen für ihre Vorschläge zu gewinnen.

Dort sollen sich sogenannte Ag-Tech-Start-ups ansiedeln, die technische Innovationen für eine moderne Agrarwirtschaft einsetzen. "Wenn man Tomaten draußen anbaut, braucht man für ein Kilogramm 250 Liter Wasser", rechnet sie vor, drinnen sind es nur 25 Liter. "Davon sind aber 20 Liter nur für die Kühlung der Umgebung der Pflanze durch Verdunstung - für die Kühlung aber können wir aufbereitetes Abwasser verwenden."

Mit Gurken und Datteln können sich die Emirate schon selbst versorgen. Al-Mheiri wirbt nun um deutsche Gründer. Anschubfinanzierung aus den Emiraten soll sie nach Dubai locken. Und von dort sollen sie nicht primär Obst und Gemüse in die Region exportieren, sondern Technologie und Wissen.

Ernährungssicherheit gewann Bedeutung als strategisches Portfolio, nachdem selbst die reichen Golfstaaten im Jahr 2008 in Folge der globalen Finanzkrise in Versorgungsnöte gerieten. Systematisch lässt al-Mheiri den Lebensmittelverbrauch analysieren und identifizieren, was in den Emiraten nachhaltig angebaut oder gezüchtet werden kann. Für andere Lebensmittel diversifiziert sie die Quellen. Und sie will den von Verschwendung geprägten Umgang mit Lebensmitteln ändern, das Wegwerfen drastisch reduzieren.

Ihr Ziel ist ambitioniert: bis 2051 will sie Platz eins des Global Food Security Index erreichen, der mit 59 Faktoren die Versorgungssicherheit beurteilt. Nur wer sich hohe Ziele setzt, kann auch etwas erreichen - das ist die Philosophie der Emirate. Dafür steht Mariam al-Mheiri.